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Nachgekommen

Frauen in der Gastarbeitergeschichte

Einführende Worte

Es lohnt sich zuzuhören

von Ursula Thöle-Ehlhardt
Die Bilder und Geschichte der Frauen, die im Zuge der Gastarbeiter-Bewegung vornehmlich in den 70er Jahren zu uns kamen, sind vielfältig, individuell, besonders, einzigartig. Sie dienen nicht für Pauschalurteile, sie taugen nicht für ein homogenes Bild, sie lassen sich nicht in Schemata pressen. …
… In jeder unserer Geschichten wird etwas ganz Persönliches, auch Vertrauliches deutlich. Wir als Projektgruppe hatten die Chance in ganz private Erinnerungen, Familienereignisse, Lebenshintergründe zu schauen – gemeinsam mit jungen Frauen aus unterschiedlichen Kulturen, die sich mit der Generation ihrer Großmütter beschäftigten, die nachfragten: Wie war das eigentlich, damals? Hier spricht Alt zu Jung, Großmutter zu Enkelin, Migrantin zu Nicht-Migrantin, Mutter zu Tochter…..und umgekehrt. Und sie sprechen über ihre eigenen Erfahrungen, über das, was ihnen wichtig ist, was ihnen geholfen hat genauso wie über das, was schwierig war. Es sind sehr private Sichtweisen, sehr persönliche Einblicke in das Leben von Frauen, die sich auf den Weg gemacht haben – auf einen für sie neuen und unbekannten Weg. Die Geschichten sind nicht immer gradlinig, sie zeigen Brüche, sie zeigen Irritationen, sie zeigen Verunsicherung und manchmal auch Überforderung, aber immer auch Kraft, Mut, Gestaltungswillen und eine sehr individuelle Lebensenergie sich diesen Herausforderungen zu stellen. Wir erhielten Einblick in Privates bis hin in die familiären Fotoalben – und das trotz des Bewusstseins der Öffentlichkeit, die wir mit diesem Buch schaffen. Auch dazu gehört Mut, und dafür bedanke ich mich aufrichtig bei allen, die uns das ermöglicht haben. Auch dies ist ein Weg, Menschen – und hier vor allem auch junge Menschen – mitzunehmen auf dem Weg einer Verständigung zwischen den Kulturen, genauso wie zwischen den Generationen. Wir alle können daraus etwas lernen – wenn wir die Bereitschaft mitbringen zuzuhören. Unser Buch entspricht nicht den Maßstäben der Objektivität, unser Ziel ist nicht eine wissenschaftliche und historische Aufarbeitung von Aspekten der Gastarbeiter-Geschichte. Wir möchten bewusst die individuellen Lebensgeschichten dieser Frauen gleichwertig und unkommentiert nebeneinander stehen zu lassen. Wir möchten sie in ihrer ganzen Vielfalt würdigen. Jede Geschichte ist einzigartig und besonders. Aber zu jeder Geschichte gehören auch die Lebensbedingungen im Umfeld, in den Familien wie auch in unserem Ort Buer – die Begegnungen mit den hier Einheimischen, mit den Nachbarn, in den Kindergärten und Schulen, mit den Kolleg*innen am Arbeitsplatz, mit Ladenbesitzer*innen und vielen anderen Personen. Auch diese kommen hier zu Wort – immer auch mit ihrem besonderen persönlichen Blickwinkel. Das Zuhören bietet die Gelegenheit sich den Menschen anzunähern. Unser Ziel ist es, Frauen eine Stimme zu geben, die kaum wahrgenommen wurden, die kaum eine Chance hatten sich mit ihren Lebensbedingungen wahrnehmbar zu machen. Wem konnten sie ihre Ängste, ihre Sorgen und Nöte, ihre Hoffnungen, Wünsche und Gedanken, ihre Freude und ihren Stolz anvertrauen? Ihnen eine Stimme zu geben ist aus unserer Sicht auch eine Form der Wertschätzung. So finden sich in diesem Buch Mosaiksteine, die vielleicht das eigene Bild jeder Leserin, jedes Lesers erweitern, die vielleicht neue Perspektiven aufzeigen, die vielleicht Vorannahmen bestätigen oder verwerfen, die Fragen mit sich bringen – die aber auf jeden Fall etwas verändern. Und genau dies möchten wir erreichen. Wir möchten, dass mehr Menschen zuhören, dass mehr Menschen hinschauen auf das, was diese Frauen zu sagen haben. Das Zuhören und die Bereitschaft zum Verstehen schaffen die Basis für ein gelingendes Miteinander. Die Erinnerungen der zu uns gekommenen Frauen spiegeln auch einen Teil unserer Lebenskultur und unserer Lebensgeschichte wieder – mit allen Lücken, die dazu gehören. Erinnerungen sind immer geprägt durch die ganz persönlichen Lebensbedingungen und Lebenserfahrungen, die zwischen den alten Zeiten und dem Jetzt liegen. Sie sind immer Prozesse der inneren Bewertung des eigenen Lebens. Aber jede individuelle Erinnerung ist auch eingebettet in die Erinnerungskultur der jeweiligen Gemeinschaft – sei es nun die Gemeinschaft, die aus der alten Heimat mitgenommen wurde, oder die der hier bestehenden Dorfgemeinschaft. Erinnerungskultur gilt sowohl für die aufnehmende als auch für die ankommende Gemeinschaft. Vor diesem Hintergrund entwickeln sich dann auch die persönlichen Erinnerungen. Unsere Geschichten sind schnörkellos erzählt, oft reduziert auf einfache Sätze, reduziert auf das Beschreiben von Lebenssituationen mit einfachen, aber klaren Worten – unaufgeregt, ohne eine verbale Dramatik. Sie spiegeln das Leben einfacher Menschen wider, das Leben von Frauen, die sich großen Herausforderungen gestellt haben. Das Erinnern, das Erzählen, das Zuhören, das Aufschreiben und das Nachlesen, der Blick auf die eigene Lebensgeschichte und unser Blick auf die Lebensgeschichte des Gegenübers bringen oft eine tiefe Emotionalität mit sich – dieses zuzulassen war und ist an vielen Stellen eine große Herausforderung. Diese Emotionalität hat das umfassende Miteinander in diesem Projekt geprägt und gegenseitiges Vertrauen erlebbar gemacht. Es lohnt sich zuzuhören!

Einblicke

Stimmen zum Projekt

Die Schülerredaktion

Ceren
Ich kannte das erste Buch und fand das toll. Meine Oma und mein Opa, die damals als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen sind, sind leider schon verstorben. Ich wollte aber gerne mehr über…
…die Geschichten der Frauen erfahren und so fielen mir Fragen ein wie: Was hat meine Oma wohl gemacht, als Opa arbeiten war“ oder „wie hat sie hier in Deutschland gekocht“, es gab hier ja nicht die Lebensmittel aus ihrer Heimat und „wie fühlte sie sich in einem fremden Land“. Meine Mutter hat dann über meine Oma und meinen Opa erzählt und ich habe beschlossen, in der Arbeitsgruppe mit dabei zu sein. Wir haben von den Frauen sehr unterschiedliche Geschichten und Erlebnisse gehört. Es waren sehr lustige Geschichten über Missverständnisse im Alltag dabei, aber auch sehr traurige und bewegende Geschichten. Die Frauen hatten sehr viel Mut ohne Sprachkenntnisse ihren Männern in ein fremdes Land zu folgen. Sie haben für ihre Familie gesorgt. Ich habe dabei gelernt, dass man sich auch an einem fremden Ort wohl fühlen kann, wenn die Familie da ist. Schön, dass es dieses Projekt gab. Das ist ein ganz besonderes Buch für mich und meine Familie.
Jule
Als das Projekt „Nachgekommen“ in unseren AG-Heften ausgeschrieben wurde, brauchte ich nicht lange zu überlegen, um mich dafür anzumelden. Meine ältere Schwester hat an dem vorherigen…
…Projekt Angekommen – Buer uns seine Gastarbeiter teilgenommen und hat mir von ihren Erlebnissen berichtet. Das klang sehr spannend, so dass ich mich dafür entschied ebenfalls an so einem Projekt teilzunehmen. Die Zeit, die wir an diesem Projekt gearbeitet haben, hat mir sehr gut gefallen, denn jede Frau, die wir interviewt haben, hatte etwas anderes zu erzählen. Es war etwas ganz Besonderes, die Vielzahl von ganz persönlichen Geschichten zu hören, die mal lustig und mal traurig waren. Es gibt nichts, was einem mehr zum Nachdenken bringt, als die Erlebnisse anderer Menschen zu hören, vor allen Dingen wenn es solche sind, die niemals in Vergessenheit geraten sollten, denn nur aus Erlebnissen und Erfahrungen können Menschen lernen. Die Geschichten haben mich sehr fasziniert, da sie von sehr starken Menschen / Frauen handeln, die in manchen Fällen sogar ihre Familien in der Heimat zurück lassen mussten. Sie mussten für etwas kämpfen und haben sehr hart gearbeitet um sich und ihre Familien zu versorgen. Abschließend möchte ich noch sagen, dass das Leben von Rückschlägen gezeichnet wird. Bei manchen fallen sie härter, bei anderen leichter aus. Wir sollten uns davon aber nicht abhalten lassen glücklich zu sein und uns durch die schweren Zeiten kämpfen, so wie es die Frauen in diesem Buch vorgemacht haben.
Kristin
Ich habe an dem Buchprojekt teilgenommen, weil es mich interessiert hat, wie die ausländischen Frauen damals nach Buer gekommen sind. Sie sind ja schon sehr lange hier, und in der…
…Schule gehören deren Enkelkinder für uns ja selbstverständlich dazu. Durch die vielen Interviews habe ich jetzt detaillierte Einblicke in das Leben der Frauen bekommen. Das sind sehr persönliche und sehr unterschiedliche Geschichten, die wir von den Frauen erfahren haben. Aber alle zeigen, dass das Leben hier in Deutschland für sie nicht ganz einfach war. Dass es viele Dinge in ihrem Alltag gab, die wir uns kaum noch vorstellen können. Besonders spannend fand ich auch den Besuch bei Frau Doris Schröder-Köpf in Hannover. Es war toll, sie einmal persönlich kennenzulernen. Sie interessierte sich sehr für das, was wir hier in unserer Arbeitsgruppe machen und hörte aufmerksam zu, welche besonderen Geschichten wir erzählen konnten. Aus diesem Projekt nehme ich mit, dass es jeder Mensch verdient, sein Leben und das seiner Familie besser zu machen. Denn alle Menschen, die ihre Heimat verlassen müssen, haben es schwer, sich in einer neuen Umgebung zurecht zu finden, die neue Sprache und die andere Kultur kennenzulernen. Ich bin froh, dass ich an diesem Projekt teilgenommen habe, weil es für mich wirklich etwas Besonderes ist.
Sarah
Ich habe an dem Projekt teilgenommen, weil mich interessiert hat, wie es damals war, als die Frauen der Gastarbeiter nach Deutschland kamen, warum sie gekommen sind, wie sie hier gelebt haben und welche Schwierigkeiten sie hatten. Den Frauen…
…zuzuhören, ihre Geschichten zu erfahren, ihnen Fragen stellen zu können und darüber zu sprechen fand ich sehr spannend. Wie sie damals in ihrer Heimat gelebt haben, und wie sie hier in Deutschland ankamen, was für Unterschiede es gab, was besser und was schwieriger war, das alles war sehr interessant für mich zu erfahren. Wir durften ihre Fotoalben ansehen und sie haben uns zu den Bildern viele Familiengeschichten erzählt, manchmal fröhlich, manchmal witzig, manchmal aber auch traurig. Dass wir viele dieser privaten Geschichten für das Buch verwenden durften, ist toll. Der Besuch bei Frau Doris Schröder-Köpf in Hannover und sie einmal persönlich kennen zu lernen war ein schönes Erlebnis. Sie hat großes Interessen an dem, was wir in unserer Arbeitsgruppe gemacht haben und hörte sehr aufmerksam zu. Das Projekt war sehr spannend für mich. Ich habe viel über die Frauen der Gastarbeiter und ihre Familien erfahren, auch einiges über Buer, und ich bin froh, dass diese Geschichten durch dieses Buch nicht vergessen werden.
Tugba
Als in der Schule die AG-Angebote heraus kamen, habe ich sie mit meiner Mama durchgesehen. Da fiel ihr die AG „Nachgekommen – Frauenportraits in der Gastarbeitergeschichte“ auf, und sie fing an zu erzählen, dass meine Oma…
…damals auch „nachgekommen“ ist. Das hat mich neugierig gemacht, und ich wollte mehr über meine Vorfahren erfahren Meine Oma haben wir in der AG dann als erste Gastarbeiterfrau interviewt. Sie erzählte, dass sie in den ersten Jahren immer sehr allein und einsam war. Sie hat sich den ganzen Tag auf den Abend gefreut, wenn ihr Mann nach Hause kam und sie gemeinsam eine Viertelstunde türkisches Radio gehört haben. Ich kannte die Geschichte meiner Oma gar nicht, aber seit dem Interview erzählen wir viel von früher in meiner Familie. Es waren sehr unterschiedliche Geschichten, die wir gehört haben. Sie waren sehr interessant und einige auch sehr traurig. Alle Frauen hatten es nicht leicht. Die fremde Sprache, die Umstellung, die Gewöhnung an die fremden Lebensmittel, alles war neu und fremd und die Frauen waren viel allein. Ich bin stolz, dass ich bei diesem Projekt dabei sein konnte. Das Buch ist etwas ganz besonderes für mich, und auch für meine Familie.
Zekiye
Ich kannte das erste Buch „Angekommen – Buer uns seine Gastarbeiter“. In diesem Buch hat mein Opa über sein Leben als Gastarbeiter in Buer erzählt. Ich fand das Resultat des Buches so super, dass ich sofort bei dem neuen…
…Buchprojekt „Nachgekommen – Frauenportraits in der Gastarbeitergeschichte“ mitmachen wollte, als ich davon gehört habe. Da in dem ersten Buch viel über die Gastarbeiter berichtet wurde, wollte ich jetzt mehr über die Gastarbeiterfrauen erfahren. Was die Frauen damals alles so ertragen mussten. Wie alleine und einsam sie oft waren. In den Interviews mit den unterschiedlichen Zeitzeugen habe ich auch gemerkt, dass die Kulturen gar nicht so verschieden sind. Zum Beispiel haben die Frauen damals viel gestrickt und gerne gekocht. Heute können die Jugendlichen das nicht mehr und haben auch kein Interesse, egal ob deutsche oder Jugendliche mit Migrationshintergrund. Ich bin sehr stolz, dass ich ein so schönes Buch mitgestalten durfte. Die Geschichten der Frauen wären sonst für immer vergessen. Mit dem Buch habe ich einen Teil vom Leben meiner Oma immer bei mir und kann darin lesen. Das Buch wird in unserer Familie einen besonderen Platz bekommen.

Die Initiatorinnen

Uschi Thöle-Ehlhardt
Das vorliegende Buch markiert das Ende eines fast zweijährigen Projektes – ein Projekt, das sowohl unterschiedliche Kulturen als auch die verschiedenen Generationen miteinander…
…in Kontakt bringt. Schülerinnen der Lindenschule sprechen mit Frauen, die im Zuge der Gastarbeiter-Anwerbung nach Deutschland gekommen sind, und mit Frauen, die aus einer begleitenden Perspektive das „Nachkommen“ wahrgenommen haben. Es begann mit Neugier und Interesse an Menschen, die bislang nicht im Fokus der Wahrnehmung standen. Die sensible Aufgabe der Projektleiterin Annegret Tepe war es, die jungen Menschen mit auf den Weg zu nehmen, Vertrauen zwischen ihnen und den Gesprächspartnerinnen herzustellen, ein Gefühl bei ihnen für die Lebenssituation des Gegenüber zu entwickeln – ohne zu bewerten, ohne zu interpretieren oder zu kommentieren. Alle Beteiligten begaben sich auf ungewohntes Terrain – Offenheit, Neugier, Interesse, Wertschätzung, Sensibilität und Vertrauen sind Begriffe, die dieses Projekt ausmachen. Dieses Projekt ist geprägt von den Mädchen und Frauen, die sich begegnet und in Kontakt getreten sind, die offen miteinander gesprochen haben, so offen wie sie es zulassen konnten, und die sich Zeit und Aufmerksamkeit geschenkt haben. Es hat die Akteure verändert. Es schärft den Blick der Jüngeren auf die Älteren, der Einheimischen auf die Zugezogenen – und umgekehrt. Es gibt den Frauen eine Stimme, die über Jahrzehnte nicht gehört wurden. Es gibt ihnen die Möglichkeit Gehör zu finden, gehört zu werden und sich den Fragen und dem Interesse Jüngerer zu öffnen. Vertrauen in diese junge Arbeitsgruppe ist an vielen Stellen zu spüren, Vertrauen, das Türen öffnet und Einblicke erlaubt in oft ganz persönliche Erlebnisse unserer Gesprächspartnerinnen. In der abschließenden Phase der konkreten Zusammenstellung des Buches, der Erarbeitung einer Struktur, des Sortierens und Einordnens der gesammelten Materialien und der Texte, der Konkretisierung, manchmal auch Ergänzung der Inhalte, wurde mir deutlich, wie tiefgreifend das ist, was die jungen Menschen in dieser Projektlaufzeit zusammengestellt haben – es sind beeindruckende Lebenszeugnisse entstanden. Das i-Tüpfelchen bildet die künstlerische Gestaltung des Buches. Es unterstreicht auch in diesem Band wieder den Charakter des Projektes – durch ein kreatives, behutsames und klar strukturiertes Layout, das dem gesamten Inhalt einen wertschätzenden Rahmen und Ausdruck verleiht. Ich bin stolz darauf, dass dieses vorliegende Buch wieder ein eindrucksvolles Ergebnis einer behutsamen und engagierten Teamarbeit von unterschiedlichsten Menschen widerspiegelt – ein Team, dass es gelernt hat zuzuhören und einen achtsamen Umgang zu pflegen.
Annegret Tepe
Dieses Buch über die Frauen, die vor 40 Jahren ihren Männern nach Deutschland gefolgt sind, ist ein ganz besonderes Projekt für mich. Auch, dass sich gerade junge Menschen für diese Geschichten…
… interessieren, finde ich toll. Und wie die Zeitzeuginnen uns ihre ganz persönlichen Erinnerungen und Gefühle schilderten, und dass wir in ihren ganz persönlichen Fotoalben und Dokumenten blättern durften, bleibt für mich unvergessen. Wir haben mit den Frauen darüber gesprochen, wie das Leben für sie in der Heimat war. Wieso sie sich entschieden haben ihren Männern nach Deutschland zu folgen und warum sie hier geblieben sind. Sie ließen Menschen zurück, die sie vielleicht nie wieder sahen. Es sind bewegende Lebensgeschichten, die wir während der Interviews erfuhren. Es war nicht leicht für sie. Hier war alles fremd. Sie verstanden die Sprache nicht und konnten nicht lesen und schreiben. Sie fühlten sich einsam und allein, aber sie mussten irgendwie zurechtkommen. Ich habe großen Respekt und Achtung vor diesen Frauen. Jede dieser unterschiedlichen und vielfältigen Lebensgeschichten hat mich sehr berührt und tief beeindruckt. Ich bedanke mich bei allen, die an der Entstehung des Buches mitgewirkt haben. Bei den Schülerinnen Ceren, Jule, Kristin, Sarah Isabell, Tugba und Zekiye für ihr Interesse, ihre tollen Ideen und ihre Freizeit, die sie in das Projekt eingebracht haben. Und ganz besonders bei Ursula Thöle-Ehlhardt für die Idee zum Projekt und die Umsetzung der vielen gesammelten Texte und Materialen in ein wunderschönes Buch. Und natürlich bei Lukas Ehlhardt für die engagierte Arbeit am Layout des Buches, die kreativen Ideen und tollen Anregungen sowie die professionelle Umsetzung und herausragende Gestaltung. Für mich ist es ein ganz besonderes und wertvolles Projekt und ich bin sehr stolz und dankbar, dass ich dieses Projekt begleiten durfte.

Preise und Auszeichnungen

bfdt
2018

Hohe Auszeichnung für das Frauen-Buchprojekt „Nachgekommen“
Auszeichnung im Wettbewerb "Aktiv für Demokratie und Toleranz" 2018

„Mit dieser Preisverleihung sind wir auch mit unserem zweiten Buchprojekt zur Gastarbeitergeschichte in der Bundeliga der Auszeichnungen angekommen“, freut sich Uschi Thöle-Ehlhardt als Projektleiterin über die erneute Auszeichnung durch das Bündnis für Demokratie und Toleranz – gegen Extremismus und Gewalt (BfDT) im bundesweiten Wettbewerb „Aktiv für Demokratie und Toleranz” 2018. Vor über 100 Gästen im vollgefüllten Ratssaal des Rathauses in Wuppertal-Barmen wurden am 28. Mai 2019 acht Preisträgerprojekte aus Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen ausgezeichnet.

Helge Lindh, Mitglied des Deutschen Bundestags und Patrick Siegele, Mitglied des Beirats des BfDT zeichneten die vorbildlichen und zur Nachahmung einladenden niedersächsischen und nordrhein-westfälischen Preisträgerprojekte aus. Patrick Siegele hob die Bedeutung des zivilgesellschaftlichen Engagements hervor: „Demokratie findet vor Ort statt. Nicht nur in den Großstädten, gerade auch in kleinen Kommunen und auf dem Land brauchen wir zivilgesellschaftliche Initiativen, die sich für Demokratie und die Rechte von Minderheiten einsetzen.”
„Nachgekommen – Frauen in der Gastarbeitergeschichte“ beschäftigt sich facettenreich mit den persönlichen Geschichten der Frauen, die im Zuge der Gastarbeiterbewegung nach Buer und Melle kamen. Während der zweijährigen Projektlaufzeit interviewten sechs Schülerinnen der Lindenschule Buer gemeinsam mit Annegret Tepe vom Jugendwagon dreizehn Frauen aus der ersten Gastarbeiter-Generation, sowie verschiedene Zeitzeuginnen aus dem Umfeld, die ihre Wahrnehmung der örtlichen Zuwanderungsgeschichte der Frauen vorstellen. Zu Wort kommen auch die Töchter, die einen sehr persönlichen Blick auf die Geschichte ihrer Mütter werfen. Helge Lindh sagte in seiner Laudatio: „Die Ausgezeichneten stehen für das Beste, was ehrenamtliches Engagement in diesem Land zu bieten hat, denn sie setzen das Vertrauen in und den Respekt vor dem Mitmenschen an die Stelle der Angst.“

Auf den Weg nach Wuppertal gemacht hatten sich als Vertreterinnen der Projektgruppe Annegret Tepe, Uschi Thöle-Ehlhardt (beide Netzwerk Jugendhaus Buer e.V.) und Birgit Meyer (Didaktische Leiterin der Lindenschule Buer) sowie Dr. Songül Kilic, Veronika Uhlmannsiek und ihre Tochter Susanne Reinhardt-Uhlmannsiek als Interviewpartnerinnen des Projektes. Extra angereist war auch Bürgermeister Scholz als Vertreter der Stadt Melle.
Ursula Thöle-Ehlhardt sprach als Projektleiterin von dem hohen Wert des Projektes, das die Frauen, die eigentlich nie wirklich wahrgenommen wurden, in den Mittelpunkt rückt und ihnen eine Stimme und ein Gesicht gibt: „Diese Auszeichnung ist eine hohe Wertschätzung unserer Arbeit, der am Projekt beteiligten Schülerinnen, aber auch des Themas und vor allem der betroffenen Frauen.“
An die persönliche Geschichte ihrer Mutter, die als Analphabetin aus einen kleinen Bauerndorf nach Deutschland kam, erinnerte Dr. Songül Kilic: „Ich habe großen Respekt vor der Lebensleistung meiner Mutter, die trotz aller eigentlich unüberwindbaren Hindernisse nie aufgegeben hat und Unglaubliches für ihre Kinder leistete.“
Birgit Meyer von der Lindenschule Buer betonte den Wert des Projektes für die beteiligten Schülerinnen: „Das Projekt mit Schülerinnen trägt große Früchte und erweist sich als ausgesprochen wertvoll für die jungen Frauen. Sie bekommen einen Blick für andere, entwickeln sensibel und empathisch einen Zugang in andere Lebenswelten.“ Den Mut der jungen Frauen in dem Projekt beschrieb Annegret Tepe, die die Arbeitsgruppe über zwei Jahre begleitete: „Es ist wirklich beachtlich, mit wie viel Ideen, Verständnis und Feingefühl die Schülerinnen mit den älteren Damen in Kontakt getreten sind. Es gab während der Gespräche sehr viel Wertschätzung von beiden Seiten aus, viel Vertrauen und Nähe, die zugelassen wurde. Die Schülerinnen haben starke Frauen erlebt, die schwierige Lebensbedingungen meistern mussten.“ Allen Beteiligten täte es gut, dass ihre Arbeit öffentlich präsentiert werden könne und damit wahrnehmbar werde. „Es sind wertvolle Kontakte entstanden, die Bestand haben und in den Alltag ausstrahlen.“

„Wir sind einfach nur stolz dabei sein zu können – sowohl als Gesprächspartnerinnen für das Buch und die Ausstellung, als auch jetzt bei der Preisverleihung,“ zeigt sich Veronika Uhlmannsiek gemeinsam mit ihrer Tochter beeindruckt von der hohen Auszeichnung des Projektes. „Eigentlich habe ich mich mein Leben lang etwas geschämt dafür, dass ich so schwere und auch schmutzige Arbeit machen und in solch einfachen Verhältnissen leben musste. Mir tut es gut, dass wir nun solch eine große Anerkennung und Wertschätzung erfahren für das, was wir geleistet haben, und unser Leben in ein anderes Licht gerückt wird.“

„Die Akteure vom Netzwerk Jugendhaus Buer haben mit dem Buch ,Nachgekommen – Frauen in der Gastarbeitergeschichte‘ ein wichtiges Stück Heimatgeschichte dokumentiert“, fand Bürgermeister Reinhard Scholz anerkennende Worte. Besonders erfreut zeigte sich der Verwaltungschef darüber, dass in das Buchprojekt bewusst junge Menschen einbezogen worden seien. Die Schülerinnen hätten über Wochen und Monate hinweg Zeitzeugen befragt, Quellen ausgewertet, Fotos gesammelt und die dabei gewonnenen Erkenntnisse in einer Publikation zusammengefasst, die als einzigartig zu bezeichnen sei. Für Reinhard Scholz stand fest: „Die jungen Akteure und alle übrigen Projektbeteiligten haben mit diesem Werk ein eindrucksvolles Engagement für Demokratie und Toleranz gezeigt.“

Die musikalische Begleitung der Preisverleihung begeisterte das Publikum. Das junge Ausnahmetalent Kareem Ghali bot auf der Gitarre zu Beginn die Prelude Nr. 1 von Heitor Villa-Lobos dar und später die Eigenkomposition „Nabadatu qalbi“ (arab. Schläge meines Herzens). Ghali, der 2015 aus Syrien nach Wuppertal kam, gewann den 2. Bundespreis bei „Jugend musiziert“ im Jahr 2018.
Das Stück kann angehört werden unter: https://www.youtube.com/watch?v=0rM3DSrbWms

Hintergrund

Am 23. Mai 2000 gründeten die Bundesministerien des Innern und der Justiz das Bündnis für Demokratie und Toleranz – gegen Extremismus und Gewalt. Seit dem Jahr 2011 ist die Geschäftsstelle des Bündnisses für Demokratie und Toleranz Teil der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb. 59 Initiativen und Projekte wurden 2018 für ihr vorbildliches und nachahmenswertes zivilgesellschaftliches Engagement für Demokratie und Toleranz als Preisträger ausgewählt. Die Preise sind mit 2.000 € bis 5.000 € dotiert.

Die Ausstellung zum Projekt beim Stadtjubiläum
Zu dem Buch „Nachgekommen – Frauen in der Gastarbeitergeschichte“, das vom Netzwerk Jugendhaus Buer mit Schülerinnen der Lindenschule Buer erarbeitet wurde, gehört auch eine Ausstellung. Diese wird wie auch die Ausstellung zum ersten Projekt „Angekommen – Buer und seine Gastarbeiter“ beim Stadtjubiläum vom 28. bis zum 30. Juni in Melle zu sehen sein.

Beteiligte an dem Projekt:
Schülerinnen der Lindenschule Buer: Zekiye Azattemür, Tugba Bagsiz, Ceren Catal, Sarah Isabell Ekeler, Jule Saßenberg, Kristin Weber
Projektleitung: Annegret Tepe, Ursula Thöle-Ehlhardt vom Netzwerk Jugendhaus Buer e.V.

Johann-Bünting-Preis 2018

Auszeichnung für die Buch-Projekte zur Gastarbeitergeschichte
Johann Bünting-Förderpreis geht nach Buer

Die Johann-Bünting-Stiftung aus Leer verlieh am 25. Mai zum elften Mal ihren Förderpreis für Projekte in den Kategorien „Alt für Jung“ und „Jung für Alt“.
„Wir fördern Bildung. Dabei liegt unser Fokus auf Projekten, die das Zusammenleben von Jung und Alt beispielhaft unterstützen“, betonte Peter Detmers als Vorstand der Johann Bünting-Stiftung. „Das sind Projekte mit einem außergewöhnlichen ehrenamtlichen Engagement. Wir möchten sie nicht nur finanziell unterstützen, sondern für sie eine Öffentlichkeit herstellen mit der Verleihung der goldenen Ehrenmedaille – verbunden mit der Hoffnung, dass auch ein Nachahmungseffekt entsteht, dass wir weitere Menschen mit dem Geist der Ehrenamtlichkeit infizieren. Denn eine älter werdende Gesellschaft ist ohne Ehrenamt nicht denkbar.“

Die Zahl der Vorschläge war mit über 70 Einreichungen wieder groß, und die Wahl für die fünfköpfige Jury keine leichte. „Wir hatten wieder viele interessante Projekte unter den Vorschlägen, die uns – beziehungsweise die Jury – wirklich begeistert haben“, erklärte Peter Detmers. „Darum vergeben wir auch in diesem Jahr neben den Preisen in den Kategorien „Alt für Jung“ und „Jung für Alt“ sowie dem Schulprojekt noch einen weiteren Sonderpreis für ein herausragendes Engagement.“
Die drei erstgenannten Auszeichnungen sind mit jeweils 5000 Euro dotiert, der Träger des Sonderpreises erhält 1000 Euro.

Auszeichnung für das Schulprojekt geht nach Buer
Als Schulprojekt sind die im Zuge der Integrationsarbeit entstandenen Buchprojekte zur örtlichen Gastarbeitergeschichte geehrt worden. Seit fünf Jahren engagieren sich Schülerinnen und Schüler der Lindenschule in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk Jugendhaus Buer e.V. intensiv für verschiedene integrative, generations-übergreifende Projekte. Dabei erforschen junge Menschen auch in ihrer Freizeit die Geschichte der älteren Generation ihres Ortes, der Zugezogenen wie auch der Einheimischen. Im Zuge dessen wurden zwei Bücher veröffentlicht und zwei Ausstellungen konzipiert. Vorgeschlagen für die Auszeichnung wurde die engagierte Gruppe von der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Melle, Marita Feller.
Celia Hübl, die stellvertretende Leiterin des Bünting Teemuseums, zeigte sich in ihrer Laudatio beeindruckt von der einfühlsamen Arbeit der jungen Menschen im Kontakt mit der älteren Generation der ehemaligen Gastarbeiter und deren Frauen. Zudem lobte sie den zusätzlichen zeitlichen Aufwand, der in diesen Projekten geleistet wurde und weit über das übliche Maß von Schulunterricht hinaus gehe. Entstanden seien eindrucksvolle Zeitdokumente von großem Wert.